Nachfolgend im Anhang ein aktuelles Schreiben ("Hilferuf für Unterstützung") und die Chronologie des gesamten Projekts zur Kenntnis.
Dass tagtäglich in allen Medien über die gravierende Artenvernichtung berichtet wird und ein Landschaftsjuwel wie das Steinbachtal immer noch nicht auf der Liste der auszuweisenden Objekte steht, macht mich langsam sprachlos (Alfred Leiß).
Aktuelles: Auskunft gibt das Schreiben von Alfred Leiß an das "Steinbachtal-Team":
Hallo zusammen,
nachdem ich lange nicht mehr an euch als "Steinbach-Team" geschrieben habe, will ich mich heute mit einer Info und einem Aufruf melden.
Die Info ist, dass durch die Intervention des Umweltministeriums eine Ausweisung des Steinbachtals als NSG möglich geworden ist. Voraussetzung ist, dass wir in enger Zusammenarbeit mit dem Wetteraukreis eine "vernünftige" Verordnung zustande bringen. Meine Idee ist, dass wir das in vertrauensvoller und konstruktiver Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft (und anderen Interessengruppen) machen. Traditionell sind im Wetteraukreis Naturschutz und Landwirtschaft schon immer gedeihlich miteinander ausgekommen. Es wäre ein riesiger Imagegewinn für die unter Kritik stehende Landwirtschaft, wenn wir ein NSG Steinbachtal gemeinsam auf den Weg bringen könnten. Und dieser hochwertige Landschaftsteil hat es wahrlich verdient!
Damit komme ich zu meinem Aufruf: Von Reinhold B. habe ich die Info erhalten, dass er in den letzten Tagen einen Wiedehopf beobachtet hat. (Als Kinder sahen wir ihn regelmäßig.) Weiterhin hat Wilhelm M. berichtet, er habe den Schwarzstorch gesehen (der ist damit ein paar Tage eher zurück als gewöhnlich) und ein Braunkehlchen.
Deshalb bitte ich euch, in den nächsten Tagen (und Wochen) das Steinbachtal zu besuchen, Fernglas und Notizblock mitzunehmen und alle Beobachtungen zu dokumentieren.
Die ehemaligen Fischteiche sind jetzt in der Hand der Wolferbörner Naturschutzgruppe. Ihr seht also, dass wir vor Ort nicht schlafen, sondern nach Kräften das Projekt vorantreiben.
Es liegt jetzt mit an uns, dieses einzigartige Naturjuwel Steinbachtal auch hieb- und stichfest mit Beobachtungsdaten zu untermauern.
Im Anhang 3 Fotos vom Ostersonntag. (Leider wurde meine gute Laune erheblich durch erneute illegale Ablagerungen in den Hecken getrübt. Auch die kriegen wir vermutlich nur durch eine Ausweisung besser in den Griff.)Liebe Grüße - und bleibt gesund, Alfred Leiß
Exkursionsbericht 01
Email am 15.03.2019 an Team Steinbachtal
Liebe Freunde,
ich habe eine positive Nachricht: Das Gutachten für das geplante NSG „Steinbachtal bei Wolferborn“ wurde mir kürzlich vom RP Darmstadt zur Kenntnisnahme zugeschickt.
Ich habe es mit sehr viel Interesse gelesen, weil ich natürlich auch sehr gespannt auf die Ergebnisse war.
Zusammenfassend kann ich mitteilen:
Das Gutachten hat einen Umfang von 41 Seiten.
Außer der Gebietsbeschreibung enthält es mit der Bestandsbeschreibung und -bewertung sowie der Bewertung der Schutzwürdigkeit und der Entwicklungsmöglichkeiten auch Vorschläge für eine künftige Gebietsabgrenzung und für Pflege- und Bewirtschaftungsmaßnahmen.
Der Text ist gut lesbar, das Kartenmaterial ebenfalls.
Die Tabellen sind übersichtlich und aussagekräftig.
Die festgestellten Vogelarten sowie auch die erhobenen Pflanzenarten zeigen zwar keine absolut seltenen „Kracher“, aber die vorkommende Artenvielfalt ist deutlich höher als im Umland. Allein das sollte ein guter Grund für eine festzuschreibende Sicherung und gezielte Entwicklung sein. Dieses Entwicklungspotential wird als sehr gut eingeschätzt.
Aufgrund der großen zusammenhängenden Flächen des Lebensraumtyps 6510 (magere Flachland-Mähwiesen) wird das Gebiet als schutzwürdig eingestuft.
Wünschenswert ist jetzt ein deutlicher Richtungswechsel vom konservierenden zum progressiven Naturschutz, d.h. der Wechsel vom Bewahren von Resten, die überlebt haben, hin zum gestaltenden und entwickelnden Naturschutz. Dann wird die „Perle Steinbachtal“ hell glänzen.
Wie das Verfahren jetzt weitergeht und ob ich euch das gesamte Gutachten zur Kenntnis geben darf, muss ich mit dem RP-Vertreter abklären.
Jedenfalls danke ich euch bei dieser Gelegenheit herzlich für euer seitheriges Engagement in dieser Sache und hoffe, dass unser Einsatz mit einer Unterschutzstellung des Gebiets als NSG endet, zumal die Gemeinde Kefenrod erst kürzlich erneut versichert hat, eventuelle Ausgleichsmaßnahmen für die Errichtung von neuen Windrädern im Steinbachtal umzusetzen.
18.03.2019 Das zur Ausweisung als NSG vorgeschlagene Steinbachtal bei Wolferborn ist nicht nur eine außergewöhnlich schöne Landschaft, sondern hat außerdem auch eine hochinteressante Vergangenheit.
Ein Traum ist wahr geworden: hohe Artenvielfalt im „NSG Steinbachtal“ - Alfred Leiß, Juli 2018 -
Inhalt dieses Beitrags: · An einem Tag im Juli 2025 · An einem Tag im Februar 1817 · An einem Tag im Juli 1875 · An einem Herbsttag im Jahr 1949 · An einem Sommertag im Jahr 1982 · An einem Tag im Jahr 1983 · An einem Tag im Jahr 1984
Wie es hier in unserer Umgebung im Jahr 2025 aussehen wird, weiß ich nicht. Ich wünsche mir aber leidenschaftlich, es sei einiges positiver als heute. Und ich kann sehen, wie prächtig sich das „NSG Steinbachtal“ durch intelligente Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen bis dahin entwickelt hat.
An einem Tag im Juli 2025 Die beiden Männer, die in Wanderkleidung und mit Fernglas und Fotoapparat im Steinbachtal unterwegs sind, haben sich in der letzten halben Stunde kaum von der Stelle bewegt. Immer wieder bleiben sie nach ein paar Schritten stehen, bücken sich, fotografieren, sprechen miteinander, schauen in Bestimmungsbüchern nach und machen sich Notizen. Und – wenn man näher kommt, sieht man auch den Grund dafür: in den Wiesen stehen wie in einer Farbpalette eines fleißigen Malers hohe und niedrige Blütenpflanzen kunterbunt durcheinander. Kein Wunder, dass die beiden Männer hier länger verweilen und zunächst erst einmal genau untersuchen wollen, was sie viele Jahre lang nicht mehr gesehen haben: eine reichhaltige Pflanzenvielfalt, die etwa ab dem Jahr 2000 rigoros und dramatisch verarmt ist.
Und mit den Pflanzenverlusten waren drastische Einbußen an Insekten gemeldet worden, die zunächst von Naturschutzverbänden dokumentiert und dann sehr schnell durch seriöse wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt wurden. Es ging um unglaubliche Werte: bis zu 80 Prozent Verluste wurden festgestellt, ein kaum noch zu toppendes Desaster!
Aufgeschreckt durch diese massiven Verluste an Artenvielfalt hatte sich die Bundesregierung endlich bewegt und die Sicherung und Wiederherstellung der Biodiversität als politisches Ziel ausgegeben.
2007 verabschiedete die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland eine „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“.
Die Strategie benennt 330 Ziele und etwa 430 Maßnahmen und soll bis zum Jahr 2020 gelten. Im Kern soll der Rückgang der biologischen Vielfalt aufgehalten werden.
Die Europäische Kommission veröffentlichte am 2. Mai 2011 eine eigene Biodiversitätsstrategie, mit der sie ebenfalls bis 2020 den Verlust der biologischen Vielfalt stoppen will. Die Strategie umfasst sechs Ziele:
1. die volle Umsetzung der Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) von 1992,
2. die Erhaltung und die Aufwertung der Ökosysteme,
3. den Beitrag von Agrar- und Forstwirtschaft zur Erhaltung und zur Aufwertung von Ökosystemen zu vergrößern,
4. die nachhaltige Nutzung von Fischbeständen zu sichern,
5. die Ausbreitung von invasiven Arten zu identifizieren und zu kontrollieren,
6. dazu beizutragen, den globalen Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen.
Galt die Landwirtschaft lange Zeit als Garant für die Arten- und Biotopvielfalt in der offenen Kulturlandschaft, zählt sie seit der Industrialisierung im Pflanzenbau und in der Tierhaltung zu den treibenden Kräften für den Verlust an biologischer Vielfalt.
Ursachen hierfür sind vor allem die stofflichen Belastungen durch Pestizideinsatz und Überdüngung, aber auch die maschinengerechten (ausgeräumten) Landschaften ohne Gehölze, Feldraine und andere naturbetonte Biotope, die bei der Flurbereinigung auf der Strecke blieben, Entwässerung der Landschaft sowie der Intensivanbau von Hochertragssorten.
Und jetzt endlich – an diesem lang ersehnten Tag im Juli 2025 – zeigen sich im ausgewiesenen Naturschutzgebiet „Steinbachtal bei Wolferborn“ endlich unübersehbar die angestrebten Erfolge:
· Die Oberflächengestalt des Schutzgebiets wurde nicht zum Nachteil verändert.
· Die Kleinparzelligkeit wurde nicht beseitigt und die Graswege blieben erhalten.
· Die harmonische Durchmischung von Wiesen, Äckern, Wegrändern, Hecken und Solitärbäumen ist erhalten geblieben.
· Die Feuchtflächen im Tal und die trockenen Hänge in den höher gelegenen Gebie-ten ergänzen sich ideal zu einer reichhaltigen Biotopausstattung.
· Durch intelligente Beweidungs- und Bearbeitungskonzepte wurde erreicht, dass die Pflanzen blühen und aussamen dürfen.
· Alle Beteiligten, die durch die Rücksichtnahme auf die Natur Einbußen erleiden, werden beraten, fachlich unterstützt und finanziell angemessen entschädigt.
· Die ökologisch orientierte Landwirtschaft in diesem Bereich steht hoch im Ansehen.
· Die Artenvielfalt wird regelmäßig und umfassend kartiert, dokumentiert und auf wei-tere Verbesserungen untersucht.
· Schmetterlinge und Heuschrecken, Wildbienen und viele Käferarten sind wieder in stabilen Beständen feststellbar, für viele Vogelarten ist das abgeschiedene und stil-le Tal ein kostbares Refugium. Der Reichtum an Wildpflanzen zu allen Jahreszeiten ist überwältigend.
· Naturschutz ist in großen Teilen der Bevölkerung als wichtig anerkannt, wird als Daseinsfürsorge und Lebensqualität beachtet und aktiv unterstützt.
An einem Tag im Februar 1817
Die Tage und Nächte der letzten Wochen waren bitter kalt gewesen. Wer nicht aus dem Haus musste, war froh, dass er im Warmen bleiben konnte. Die Bauersleute suchten sich typische Winterarbeiten, die man im Haus verrichten konnte: Besen binden, Strohseile für die künftige Getreideernte vorrichten, kleinere Reparatur- und Schnitzarbeiten erledigen. Und wer es vor Langeweile nicht die ganze Zeit im Haus aushalten konnte, der hielt sich wenigstens im Stall auf, wo es durch das Vieh noch einigermaßen warm war.
Im Zentrum von Bindsachsen, in einer Außenkurve der leicht knickenden Dorfstraße und damit gleichzeitig von oben und von unten aus dem Dorf nicht zu übersehen, stand da-mals schon ein prächtiges Fachwerkhaus, das zur Straße hin zudem noch mit einer mächtigen Eindruck hinterlassenden Außentreppe ausgestattet war. Sie war von zwei Seiten zu begehen und ragte auffällig und anspruchsvoll in den Straßenkörper.
Das in Frage stehende Haus ist das heutige Wohnhaus Lindenstraße 51, Geburtshaus und viele Jahre Wohnhaus von Wilfried und Gerda Ganz und ihren Eltern Reinhard und Mariechen Ganz. Das Anwesen wurde schon vor ca. 1990 verkauft, das Wohnhaus erhielt zum Hof hin einen Anbau, die große Scheune wurde zurückgebaut, die herrschaftliche Treppe ist inzwischen komplett beseitigt (ca. 2011 im Zuge der Neugestaltung der Ortsdurchfahrt), das wunderbare Fachwerk ist mit Eternitplatten verkleidet und mit zusätzlich darüber aufgebrachtem Kunststoffputz überdeckt worden.
In 1817, das Jahr, von dem hier die Rede ist, wohnten dort Johann Jacob Schwab und Anna Maria Hansen. Johann Jacob Schwab war herrschaftlicher Förster und der Urururgroßvater von Wilfried und Gerda Ganz, heute Lindenstraße 84.
Der Hausname in Bindsachsen war seit jeher „Färschtersch“, also „Försters“, sicher zu-rück gehend auf jenen Joh. Jacob Schwab, den herrschaftlichen Förster. Nachdem aber Wilfried Ganz und seine Schwester Gerda verheiratet sind und in anderen Häusern wohnen, wird sich dieser Hausname unter den neuen Eigentümern sicher sehr schnell verlieren.
Zurück zu Joh. Jacob Schwab und Anna Maria Hansen. Der Sohn Christian Schwab, ge-boren am 20. April 1788, hatte bei einer passenden Gelegenheit ein Mädchen aus Wolfer-born gesehen und sich in sie verliebt. Das war zu damaligen Zeiten überhaupt nicht gern gesehen, wollten doch die Burschen im Dorf die einheimischen Mädchen „für sich behalten“ und an keinen Fremden abgeben.
Christian mag sich also bereits einige Male mit dem Mädchen in Wolferborn getroffen haben, im Sommer sicher ohne größere Schwierigkeiten, weil es dann viele Möglichkeiten gab, draußen in Feld und Wald gemeinsam spazieren zu gehen, ganz sicher auch im Steinbachtal.
Jetzt im Winter hatte er sie wieder einmal besucht, vermutlich bei ihr zu Hause oder – noch wahrscheinlicher – sie gemeinsam mit anderen jungen Männern und Frauen in der Spinnstube getroffen.
„Spinnstuben waren“, so lesen wir in Nachschlagewerken, „in den Wintermonaten Treffpunkte der unverheirateten Frauen. Üblicherweise traf sich ein Mädchenjahrgang, um für seine Aussteuer zu spinnen und andere Handarbeiten zu verrichten; dies diente nicht nur der Geselligkeit, sondern hatte auch ökonomische Gründe: Vor Einführung der elektrischen Beleuchtung konnten so Kienspäne, Kerzen, Öllampen sowie Heizmaterial durch die gemeinschaftliche Nutzung effizienter genutzt und damit eingespart werden.“
Und weiter erfahren wir bei Wikipedia:
„Licht- oder Spinnstuben sind Orte einer sehr lebendigen dörflichen Kultur, die darauf abzielte, Arbeit und Leben miteinander zu versöhnen. Die Spinnstube wird abwechselnd auf dem einen oder anderen Hof abgehalten, die Frauen und Mädchen spinnen, die Burschen machen Musik, oder es werden Volkslieder gesungen, Hexen- und Gespenstergeschichten erzählt und allerlei Kurzweil dabei getrieben. Die Spinnstuben dienten nämlich nicht nur dem Broterwerb, sondern waren Nachrichtenbörsen und kritisches Forum sowie Ort für jugendliche Sexualkultur und feuchtfröhliche Ausgelassenheit. Wegen der dabei vorkommenden Ausschreitungen in sittlicher Beziehung mussten in verschiedenen Ländern Spinnstubenordnungen, d. h. polizeiliche Regelungen bezüglich der Zeit und Dauer des Beisammenseins, erlassen werden, im Bereich des ehemaligen Kurhessen wurden sie bereits 1726 gänzlich verboten. Von diesen Geselligkeiten sind weit über Mitteleuropa hinaus zahlreiche Volkserzählungen, historische Abbildungen und Spinnstubenlieder überliefert.“
Ob Christian Schwab tatsächlich an jenem unheilvollen 2. Februar 1817 die Spinnstube in Wolferborn besucht hatte, ob dieser Besuch mit Alkoholkonsum einher gegangen war, ob man sich gestritten hatte oder ob es Beleidigungen oder Drohungen gab, lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Die Nacht endete jedenfalls in einer Katastrophe: Auf seinem Weg durch das verschneite Steinbachtal, in dem er zu Fuß auf dem Heimweg nach Bindsachsen war, wähnte er sich vermutlich auch in dieser Nacht alleine: aber er war es nicht.
Just an der Gemarkungsgrenze zwischen Wolferborn und Bindsachsen, am „Berne Roi“, lauerten ihm Burschen aus Wolferborn auf. Sie duldeten es nicht, dass er dort eine Freundin hatte. Sie schlugen und prügelten ihn so schlimm, dass er an den Folgen starb.
Auf dem Friedhof in Bindsachsen steht hinter den beiden Ehrenmalen für die Vermissten und Opfer der beiden Weltkriege an der südlichen Friedhofsmauer ein historischer Grab-stein aus Sandstein mit folgender Inschrift:
Christian Schwab war von Beruf Schmied gewesen. Der Sandstein trägt als Symbol ein Hufeisen. Christian Schwab wäre etwa 11 Wochen später 29 Jahre alt geworden.
Seine besondere Bedeutung hat dieser historische Grabstein aus zwei Gründen: er ist der älteste Grabstein auf dem gesamten Friedhof und gleichzeitig auch der einzige aus Sandstein.
In meinem Buch „Familien- und Dorfgeschichte“ von 2014 habe ich auf den Seiten 264 – 266 ausführlich über diesen Grabstein berichtet.
Einen weiteren Bericht findet man in meinem Buch „Sternenstaub und Alltagskram“ auf den Seiten 311 – 317.
Die Angelegenheit „historischer Grabstein“ wurde in der Folge unserer damaligen Aktivitäten mehrfach in verschiedenen Presseorganen veröffentlicht.
Einer der Berichte lautet (Quelle nicht mehr feststellbar):
Grabstein von 1817 an der Friedhofsmauer
Auf dem Friedhof in Bindsachsen steht hinter den beiden Ehrenmalen für die Vermissten und Opfer der beiden Weltkriege an der südlichen Friedhofsmauer ein alter Grabstein aus Sandstein. Dieser historische Zeitzeuge fristet an diesem Platz ein Schattendasein und ist durch den „Sauren Regen“ dem Verfall preisgegeben. Alfred Leiß aus Bindsachsen ist sich dieser historischen Kostbarkeit bewusst und nahm zur Rettung Kontakt mit Pfarrer Marschella auf.
Leiß schlug als neuen Standort das schützende Dach der Trauerhalle vor, sprach unseren Pfarrer an und dieser erklärte, das sei Sache der Gemeinde Kefenrod, da diese für Friedhofsangelegenheiten zuständig wäre.
Die Inschrift im Sandstein ist nicht mehr vollständig lesbar und konnte wie folgt entziffert werden:
Vorderseite des Grabstein:
Denkmal der Liebe tieftrauernder Eltern nemlich des Vaters Joh. Jacob Schwab herrschaftlichen Foersters und Gemeindeglieds dahier und der Mutter Anna Maria, geb. Gansin gewidmet ihrem geliebten hier ruhenden Sohn Christian Schwab geb. d. 2. April 1788 u. durch einen gewaltsamen Tod ihnen leyder entrissen am 2. Febr. 1817 Ruhe seiner Asche und ........ (unleserlich)
Rückseite des Grabsteins:
Das Lied, bei seiner Beerdigung gesungen war No 412 Verzeih der tiefen Trauer die unser Herz erfüllt u.s.w. Text Ps. 119. V. 107, Ich bin sehr gedemüthigt, Herr erquicke mich nach deinem Wort.
Auch im „Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde Bindsachsen und der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Gelnhaar“ „miteinander“, Ausgabe 10, Juni-August 2013, wird auf Seite 25 über diese Thematik samt Foto berichtet.
An einem Tag im Juli 1875
Aus dem Heimat-Jahrbuch des Kreises Gelnhausen 1979 „Zwischen Vogelsberg und Spessart“
An der Steinbach bei Wolferborn
Wolkenbruch am 20. Juli 1875
Zwischen den Dörfern Wolferborn und Bindsachsen zieht sich ein langgestrecktes Tal von Unterwolferborn bis zum 390 Meter hohen Keckenstein hin. Es lohnt sich, bis an den trigonometrischen Punkt am Waldessaum des Keckensteins emporzusteigen. Von hier aus liegt im Blickfeld nach Wolferborn zu der große Wiesengrund, die Steinbach, in der Mundart „Die Stoimich“ genannt.
Abseits von allem Motorengeräusch, in weihevoller Stille und Andacht, liegt der Grund vor unseren Augen. Steigt man zu ihm hinab, so riecht es nach Sumpf und Moor. Tiere, die die Stille lieben, sind hier zu Hause.
Noch vor 250 Jahren war ein Teil dieses wenig fruchtbaren Tales mit Mischwald bedeckt, und vor langer, langer Zeit mag es ein kleiner See oder Weiher gewesen sein. Da, wo vor Zeiten „die alte Gänspull“ war und die Höhenzüge „Knuß“ und „Hundsacker“ von beiden Seiten fast aneinanderstoßen, befindet sich das winzige „Spundloch“ für den Abzug des Wassers aus diesem Tale. Etwas abwärts von dieser Stelle beginnt der „alte Graben“ mit einem Einschnitt von etwa 20 Metern Breite und 5 bis 6 Metern Tiefe. Er reicht bis kurz vor Wolferborn. Ungeheure Wassermassen mögen im Laufe der Jahrausende die Erde von diesem felsigen Boden fortgeschwemmt haben. Über die letzte Naturkatastrophe, die die Steinbach am 20. Juli 1875 heimsuchte, ist uns eine Schilderung von Peter Reutzel I., Wolferborn Nr. 84, überliefert.
„... Nun will ich auch ein Witterungsereichnis beschreiben im Jahre 1875 den 20ten Juli haben wir Wolkenbruch gehabt nemlich von der Steinbach durch den Altengraben. Da hat das Wasser dem Schäfer Johannes Kling seinen Schafstall grad umgestürzt und mitgenommen. Derselbe hatte ein lahmes Schaf und seine Gense drin, den hat es nichts gethan. Die Thürpfosten hat das Wasser mit genommen, sind durch unsen Wasserweg durchgeschwommen und in unserm Garten am Mühlgraben gelegen. Dem Johannes Inhof ist ein Hun mit jungen Hüner unter dem Bet ersoffen. Heinrich Gerhart hat Reiser wegwolen thun, daß sie das Wasser nicht mitnommen solte da ist das Wasser gekommen und hat in umgerissen. Sein Sohn hat in am Kragen erwischt und das Wasser hat sie beide mitgenommen, so haben sie sich doch erhalten und sind in dem Johannes Imhof sein Haus gekommen. Da sind sie in der Stube gewesen und haben im Waser gestanden haben geglaubt, das Wasser würf das Haus auch um. Dan haben sie ein Fenster ausgebrochen und sind in dem Wilhelm Geißler sein Haus am Fenster eingestiegen und dann haben sie auch wieder im Wasser gestanden bis an die Gnie, dan sind sie in den zweiten Stock. Da war das Wasser so groß, daß das Bauholz auf dem Wasser geschwommen hat wie das Stroh Eichen Wagner Holz das lag auf dem Dam am Wässergraben am Helgengarten. Dem Schäfer seine Kihlbrockmühl hat das Wasser mitgenommen bis an die Rinderbieger Gemarkung. Das Wasser war alles See in dem Heinrich Wagner seinen Garten hat ein Silscheid an einem Baum gehengt 9 Schuh hoch. Dem Schäfer sein Fih hat dem Schäfer sein Sohn und Heinrich Sauer los gemacht – die haben im Wasser gestanden bis hinter die Arme. Schäfer Johannes Kling seine Familye waren 14 mit Kinder und Enkel.
Die waren aus ihrem Haus geflichtet auf ihrn Hof da hatten sie noch ein trocknen blatz und ihr fih hatten sie an den Ketten. Da hat der Schäfer noch seinem Schäferpif gepfifen um hilf – mein Sohn Heinrich ist etligmal vor unsere Thür gelaufen und sagt ich kan dem Schäfer nicht helfen – endlich ist er zu unserer Hindertür hinaus und oben durch die garten – dan kam er und hat ein kleines Kind das hat nichts an wie ein hempgen – wie ers bracht das hats gelächelt – da hat unsere Junge frau im ein trockenes hempgen angezogen. Dieses ereigniß war in der Nacht. Wie der Tag kam da sind die Leute ins Wasser gegangen und haben das eingesehn. Das Wasser war wie gewärmt. Ich kante noch viel davon schreiben aber das kann ich nicht al schreiben wie schrecklich daß das war.
Noch will ich bemerken, daß die leute im Oberdorf Gut geschlafen haben und sind nichts gewahr wurden davon ...“
Konrad Appel +
An einem Herbsttag im Jahr 1949
Wer heute die Wasserkuppe in der Hochrhön besucht, kann dort überall lesen und hören, dass dieser Berg als die Wiege des Segelflugs in Deutschland gilt. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts nutzten Flugpioniere die weiten hindernisfreien Hänge der Wasserkuppe für ihre Flugversuche und entwickelten die Kunst des motorlosen Fliegens. Die baumfreie Wasserkuppe wurde zum „Berg der Flieger“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden aber auch hier bei uns im Steinbachtal Flugversuche mit Gleitern unternommen, allerdings nicht von Einheimischen. Es seien Fremde gewesen, vermutlich Studenten der Universität Frankfurt, die hier vor allem an Sonntagen mit einem Segelflugzeug die steile Geländestufe südlich des Keckensteins für diese sonderbaren Zwecke genutzt hätten.
Der Pilot habe sich in das Fluggerät gesetzt, ein Gummiseil sei am Fluggerät eingeklinkt worden. Einige hätten dann das Flugzeug festgehalten und mehrere Personen seien mit dem Seil den Abhang nach unten gerannt. Wenn sich dann das Gummiseil genug gespannt hatte, ließ die „Festhaltemannschaft“ das Flugzeug los. Es habe dann genügend Startgeschwindigkeit gehabt und sei bis hinunter ins Steinbachtal geflogen.
Nach der Landung wurde dann das Prozedere den ganzen Sonntag über noch mehrfach wiederholt.
An einem Sommertag im Jahr 1975
Um die Prüfungsarbeit für mein zweites Staatsexamen anzufertigen, in die ich zahlreiche Fotos einfügen wollte, hatte ich mir eine Rolleiflex SL 35 gekauft, damals eine der besten Spiegelreflexkameras auf dem Markt, dazu finanziell für mich erschwinglich.
Schnell lernte ich die Technik und die brillante Bildqualität der hochwertigen Carl-Zeiss-Objektive zu schätzen. Und als wir dann im Sommer 1975 in unser neu gebautes Wohnhaus in Bindsachsen eingezogen waren, ging ich ab und zu in der heimischen Gemarkung auf „Fototour“. Auch die Hecken hinter dem Keckenstein erkundete ich und fand damals u.a. das Ährige Christophskraut, das ich in all den Jahrzehnten danach nie mehr wieder gesehen habe.
Bei einem Gang vom Keckenstein aus hinunter in den Wiesengrund des Steinbachtals hörte ich einmal laut und deutlich Wasser rauschen. Ich konnte mich nicht erinnern, hier jemals einen offenen Graben gesehen zu haben. Umso neugieriger war ich darauf, die Ursache zu finden. Ich war allein, niemand konnte mich bei meiner Suche unterstützen. Zielstrebig folgte ich durch das hohe Gras und die bunten Blumentupfer in der Wiese den Fließ- und Gurgelgeräuschen, die immer deutlicher zu vernehmen waren. Plötzlich stand ich vor einem etwa fußballgroßen Loch im Boden. Die Sprudelgeräusche waren jetzt sehr laut, ich konnte in dem dunklen Loch allerdings kein Wasser sehen.
Ich wollte aber mehr über dieses Phänomen wissen, setzte mich auf die Knie, wickelte meinen rechten Hemdsärmel hoch und steckte die Hand mutig in dieses Loch. Fast hätte ich einen Herzschlag erlitten: das Wasser war eiskalt!
Offensichtlich hatte ich eine Drainage gefunden, die die Wiesen unterhalb der später dort eingerichteten Müllkippe hinunter ins Tal entwässerte. Vermutlich ging das Einzugsgebiet bis hinauf in den Keckenstein, dessen dichte Bewaldung ja ein ausgezeichneter Wasserspeicher darstellte und wohl jetzt die Winterniederschläge nach und nach freigab.
Drainagen wurden – bevor in der Flurbereinigung 1965 systematisch, großflächig und mit gelochten oder geschlitzten Kunststoffrohren die Landschaft entwässert wurde – in der Regel von den Landwirten selbst angelegt. Zunächst wurde ein Graben ausgehoben, der mit Lesesteinen von den Äckern gefüllt wurde. Zwischen diesen in der großen Mehrzahl runden „Kleesteinen“ (weil sie häufig von mit Klee angesäten Äckern stammten) waren zwangsläufig jede Menge Zwischenräume, in denen sich das Wasser fast ungehindert seinen Weg ins Tal suchen konnte. Diese Steinpackung wurde dann mit Fichtenreisig abgedeckt und danach wieder mit Erde zugefüllt.
Irgendwann im Lauf der Zeit waren dann wohl die Fichtenreiser verrottet und die Erdabdeckung eingebrochen. Die geheimnisvolle Entdeckung in einer Wiese im Steinbachtal hatte auf diese Wiese eine ganz einfache Erklärung gefunden.
An einem Sommertag im Jahr 1982
Am 19. September 1980 trat das Hessische Naturschutzgesetz in Kraft, das endlich das noch aus der Zeit des Dritten Reiches stammende Reichsnaturschutzgesetz ablöste. Auf der Grundlage dieses neuen Gesetzes wurden damals in allen hessischen Landkreisen und kreisfreien Städten Naturschutzbeiräte gebildet, in denen die Naturschutzverbände Sitz und Stimme hatten.
Im Wetteraukreis fand die konstituierende Sitzung des ersten Beirates am 08. September 1981 im Plenarsaal des Landratsamtes statt. Zum Vorsitzenden dieses erstmals einberufenen Gremiums wurde ich gewählt – und bin es ohne Unterbrechung heute immer noch.
Inzwischen sind acht vierjährige und eine fünfjährige Amtsperiode fast und damit dem-nächst 37 Jahre vergangen.
Der damals in der Kreisregierung für den Umwelt- und Naturschutzbereich verantwortliche Politiker war der Erste Kreisbeigeordnete Dr. Walter Sper (FDP), der mit großem Engagement und vielen neuen Ideen den Bereich Natur- und Umweltschutz im Wetteraukreis leidenschaftlich nach vorne trieb. Leider war er nur relativ kurz im Amt und ist dann – nach Umzug und wenigen Jahren als praktizierender Rechtsanwalt in Neckarsteinach – sehr früh verstorben.
Dr. Sper ließ sich gerne von uns Naturschutzexperten sowohl die strittigen Brennpunkte als auch die herausragenden positiven Highlights des Naturschutzes im Wetteraukreis direkt vor Ort zeigen. Und im Steinbachtal gab es ein solches Objekt. Ich hatte dort eine Wiese gefunden, auf der mindestens 380 Orchideen wuchsen, Breitblättrige Knabenkräuter, die während ihrer Blüte die gesamte Wiese mit einem rötlichen Flaum überzogen.
Gemeinsam mit meinem Freund Karl Winther und seiner Frau Annl, Dr. Sper und seiner Frau Jocelyne sowie meiner Ehefrau Helga und unseren Kindern Stefan und Simone sahen wir uns an einem sommerlichen Sonntagmorgen dieses beeindruckende Naturwunder an und staunten.
Heute ist alles anders. Orchideen habe ich auf dieser Wiese, die dann viele Jahre lang vom benachbarten Aussiedler Wilhelm Nagelschmidt als Pferdeweide genutzt wurde, schon lange nicht mehr feststellen können.
Ob sich noch genügend keimfähige Samen in der Erde befinden und ob sich die ursprüngliche Pflanzenwelt nach einer Unterschutzstellung des Gebietes und entsprechenden Unterstützungs- und Pflegemaßnahmen wieder einstellt, muss man abwarten.
An einem Tag im Jahr 1983
Das Steinbachtal fällt ziemlich steil vom Keckenstein aus in Richtung Wolferborn ab, die beiden Hänge zur linken und zur rechten Seite sind ebenfalls recht steil. Der Talkessel engt sich dann vor Wolferborn stark ein, so dass man das gesamte Gebiet als einen riesigen Kessel bezeichnen kann.
In der Mitte dieses Talkessels verläuft quer durch das Gelände eine historisch interessante Grenze, nämlich die zwischen den Gemarkungen Bindsachsen auf der nördlichen und Wolferborn auf der südlichen Seite.
Bindsachsen gehörte einst zum Großherzogtum Hessen, Wolferborn war, so hörten wir als Kinder schon von unseren Eltern, „preußisch“.
Ich will hier nicht auf die geschichtlichen Hintergründe eingehen, die sind kompliziert und ich habe sie auch nie so richtig verstanden.
Jedenfalls stand – weithin aus allen Richtungen deutlich sichtbar – mitten im Tal ein ca. ein Meter hoher historischer Grenzstein, auf der einen Seite mit GH = Großherzogtum Hessen und auf der gegenüberliegenden Seite mit KP = Königreich Preußen gekennzeichnet.
Diesen Grenzstein, in den auch noch eine Jahreszahl eingemeißelt war, habe ich in 1983, vielleicht auch ein, zwei Jahre danach oder davor, fotografiert. Das Bild befindet sich noch in meiner Diasammlung (fast 30.000 Dias), ich müsste es allerdings zeitaufwändig suchen.
Diesen historischen Grenzstein hatte ich nie für gefährdet gehalten. Ich musste aber erst kürzlich feststellen, dass er nicht mehr an seinem Platz zu finden ist. Entweder befindet er sich jetzt im Garten eines Sammlers oder aber – was ich eher noch vermute – liegt er unter einem großen Haufen Feldsteine, die etwa 2015 dort abgelagert wurden. Der Landwirt, der das gemacht hat, gab die Begründung, dadurch sei ein zusätzliches Biotop geschaffen worden.
Schlimm daran ist, dass dieser riesige Steinhaufen ausgerechnet an der feuchtesten Stelle des Tals abgelagert wurde. Ich habe den Verdacht, dass es der heimliche Anfang einer flächenhaften Verfüllung war, um trockenen Untergrund zu schaffen.
Im Übrigen vermute ich, dass der historische Grenzstein weichen musste, damit man mit immer größeren Mähmaschinen die Talwiesen ohne störende Hindernisse mähen kann. Sollte der riesige Steinhaufen im Zuge einer Unterschutzstellung des Steinbachtals als Naturschutzgebiet wieder entfernt werden, was ich mir von Herzen wünsche, dann halte ich es für nicht ausgeschlossen, dass bei dieser Aktion dieser historische Grenzstein wieder auftauchen wird.
An einem Tag im Jahr 1984
Als Gründungsmitglied (und bis heute Vorstandsmitglied bzw. Fachsprecher) des Naturschutzfonds Wetterau e.V., dem Landschaftspflegeverband des Wetteraukreises, habe ich immer versucht, mit guten Vorschlägen dafür zu sorgen, dass mir bekannte und für den Naturschutz hochwertige Flächen durch Pacht oder Kauf in die Hand des Naturschutzfonds kamen. Nur so konnte – und kann – langfristig eine erfolgreiche Weiterentwicklung beeinflusst und erreicht werden.
Im Steinbachtal bemerkte ich eines Tages, dass auf tief gelegenen Flächen direkt am Ufer des Steinbachs Erde abgelagert wurde – eine sich damals wie die Pest verbreitende Unart, mit der die Leute ihren Bauaushub schnell und vor allem billig entsorgen konnten. Dass dadurch meist hochwertige Brennnessel- und Staudenbestände für immer vernichtet wurden, spielte dabei offensichtlich keine Rolle.
Bei der Unteren Naturschutzbehörde konnte ich damals die Entfernung der illegalen Auffüllung und die Wiederherstellung des Geländes erreichen. Und bei der Ortsbegehung führte ich die Naturschutzfachleute des Wetteraukreises noch ein Stückchen weiter in das Tal hinein, dorthin, wo sich heute als wertvolles Schmuckstück ein kleiner Amphibienteich befindet,
Damals hatte ich mir überlegt, dass – im Gegensatz zu den beiden kleinen dort schon vorhandenen Fischteichen – eine frei zugängliche Wasserfläche sicher eine wertvolle Bereicherung der naturräumlichen Ausstattung sein würde.
Mit meinem Freund Walter Klein, einem der besten Botaniker Hessens, ging ich damals das Gelände ab. Schließlich wollten wir bei den Erdarbeiten auf keinen Fall wertvolle Pflanzenbestände in diesem feuchten Bereich zerstören. Walter Klein fand als bemerkenswerte Pflanze das Wasser-Greiskraut in größeren Beständen. Ich merkte mir die Stelle und wir ließen diesen Bereich bei den Vorbereitungen zum Teichbau unangetastet.
Um die Größe des Teichs habe ich lange gekämpft. Nach Überzeugung eines damaligen Mitarbeiters der Unteren Naturschutzbehörde sollte er 30 Quadratmeter nicht überschreiten. Ich argumentierte, dass dieses „kleine Loch“ weder den Aufwand mit Bagger und Lastwagen lohne noch wegen der zu erwartenden baldigen Verlandung lange als offene Wasserfläche bestehen werde.
Leider unterlag ich in diesem Konflikt, trotz Einschaltung des damaligen Dezernenten Rudolf Schwedes.
Im Rahmen der bevorstehenden Ausweisung zum NSG bzw. in den danach folgenden Pflegeplänen sollte man jetzt aber auf jeden Fall eine deutlich größere Wasserfläche vor-schlagen und neu schaffen. Außerdem ist unbedingt die dichte Fichteneinrahmung an den beiden vorhandenen kleinen Fischteichen zu entfernen, damit dort ebenfalls ungehinderter Zugang für die Tierwelt zu offenen Wasserflächen möglich ist.
Inzwischen sind im Steinbachtal nämlich außer den Weißstörchen vom Wolferbörner Ortsrand auch die Schwarzstörche aus dem benachbarten Büdinger Wald permanent auf Nahrungssuche, viele kleinere Vögel und andere Wildtiere natürlich ebenso.
Und das Steinbachtal eignet sich dafür ganz hervorragend, wie wir schon im Text vom Juli 1875 („An der Steinbach bei Wolferborn, Wolkenbruch am 20. Juli 1875“) gelesen haben: „Abseits von allem Motorengeräusch, in weihevoller Stille und Andacht, liegt der Grund vor unseren Augen. Steigt man zu ihm hinab, so riecht es nach Sumpf und Moor. Tiere, die die Stille lieben, sind hier zu Hause.“ Als Schlussbemerkung sei noch aufgeführt: Inzwischen brütet ganz in der Nähe der seltene Schwarzstorch.
Am 22.03.2019 rief mich Markus Erle, Dipl.-Biologe aus unserem NABU-Vorstand, an.
Er sei im Steinbachtal unterwegs und habe gerade auf einem Feldweg eine Kolonie von Wildbienen gefunden, deren Ausmaß gigantisch sei.
Ich fuhr hin und konnte seine Begeisterung verstehen.
1. Wildbienen
Auf einem geschotterten Feldweg zwischen den Wiesen, teilweise mit einer dünnen Erdschicht und auch schütterem Grasbewuchs bewachsen, sind auf einer Länge von etwa 20 – 25 Metern auf den beiden (blanken) Fahrspuren hunderte kleiner Erdhäufchen zu sehen, Mini-Maulwurfshügelchen.
Da die Sonne schräg auf die Szenerie scheint, ist das Bild sehr plastisch.
Wir fotografieren und Markus gelingt es tatsächlich, eine Wildbiene zur Bestimmung zu fangen.
Eine derartige riesige Ansammlung von Wildbienen-Brutplätzen habe ich noch nie gesehen. Es müssen hunderte, vielleicht tausende sein, die jetzt ihre Erdhöhlen freigegraben und die Erde nach oben herausgeschaufelt haben. Vor allem aber sind es sehr kleine Tiere und sie sind derart wuselig, dass das Fotografieren nicht so recht gelingen will. Sie bleiben einfach nicht so lange sitzen, dass die Bilder scharf werden.
Was passiert mit den Wildbienen, wenn jetzt bei der bevorstehenden Bewirtschaftung der Wiesen und Äcker reger Schlepperverkehr über diese Kolonie fährt?
Während ich diesen Text schreibe, schickt mir Marcus eine SMS: Kleine Furchenbienen-Art.
2. Wilde Ablagerungen in den Hecken
Regelrecht entsetzt bin ich über die zahlreichen Ablagerungen in den Hecken, die offenbar sogar mit Traktoren hineingeschoben wurden, damit man sie nicht so schnell sehen kann. Das Repertoire ist unerschöpflich: abgelesene Feldsteine jeder Größe, Kalksand-steine, die beim häuslichen Bauen übrig geblieben sind, Betonreste von Gartenpfosten, Teichfolie, Kunststoffseile, Stroh- und Heuballen, Holzreste und Sägemehl in größeren Mengen, Blech, Paletten, verrosteter Koppeldraht, verzinkter Draht vom Hasenstall, jede Menge Kunststofffolien usw. usw. usw.
An einer Stelle wurde sogar einige Meter in der Hecke gezündelt, um die illegale Beseitigung zu vertuschen. Mehrere Bäume sind schwarz angebrannt.
3. Müllsammelaktion
Unsere NABU-Jugendgruppe hatte für die Zeit vor dem 1. März (Beginn der Brut- und Setzzeit) eine Müllsammelaktion in der Landschaft geplant, die aber terminlich bereits mehrfach verschoben werden musste und jetzt am kommenden Wochenende stattfinden soll. Auf meinen Weg ins Steinbachtal und zurück habe ich deshalb mit offenen Augen in die Gemarkung geschaut, um Müllablagerungen zu entdecken. Das ist mir nicht gelungen:
In der freien Gemarkung findet sich kaum noch Müll, ganz im Gegensatz zu früheren Jahren. Da haben wir regelmäßig einen großen Container gefüllt und hatten sogar nur einen Teil der Gemarkung gesäubert.
Über diesen Sachverhalt kann ich mich sehr freuen!
4. Kritische Anmerkung
Das Steinbachtal ist abgelegen, auch das ist eine seiner Stärken.
Offenbar wird genau das aber, was von uns Naturschützern so geschätzt wird, von anderen Zeitgenossen dazu missbraucht, ihre illegalen Entsorgungen auszuführen, ohne große Angst vor Entdeckung haben zu müssen: nach dem Motto: hier ist ja eh kaum jemand unterwegs, der mich sehen könnte.
Ich fürchte, dass die illegalen Ablagerungen, zumal etliche davon offensichtlich ganz neu sind, Schule machen. Das trägt zu einer erheblichen Schmälerung der Naturschutzwürdigkeit des Gebietes bei, wenn es nicht konsequent und ohne Zeitverzögerung unterbunden wird.
Allein der Status als offizielles Naturschutzgebiet wäre in der Lage, solche Umweltvergehen zu verhindern, zumal diese dann mit noch mehr mit Strafandrohung versehen wären.
Während unseres Aufenthaltes im Gebiet hörten wir von weitem schon Motorradgeräusche und wenig später sahen wir einen Crossfahrer in stehender Haltung mit seinem Geländemotorrad durch die Landschaft rasen. Wir haben jetzt erst Frühjahr, erfahrungsgemäß fängt damit für die Motorradfans die Saison erst an.
Und das Steinbachtal mit seinen hügeligen Wiesen und seiner abwechslungsreichen Landschaft ist sicher ein äußerst verlockendes Trainingsgelände.
5. Fazit
Nach meinen heutigen Erfahrungen widerspreche ich der Einschätzung des Planers, dass das Gebiet auch ohne ordnungsrechtliche Maßnahmen (Ausweisung als NSG) allein durch Vertragsnaturschutz auf Dauer zu schützen und zu erhalten sei.
Diese Bewertung wurde auf Grund der botanischen und ornithologischen Erhebungen getroffen.
Nicht untersucht wurden z.B. Laufkäfer, Heuschrecken, Schmetterlinge, Pilze und Flechten usw. usw.
Allein mein heutiger Augenschein hat erneut bewiesen, dass die Gefährdungen von außen immer weiter und schmerzlicher in das Gebiet hineinrücken. Wenn das Steinbachtal keinen Schutzstatus bekommt, ist es nur eine Frage der Zeit, wann es auch keinen mehr braucht.
Ich berichte über eine Begehung des geplanten NSG Steinbachtal bei Wolferborn am Donnerstag, 18. April 2019, 16.15 – 18.00 Uhr
Sonniger Tag, warm, ab und zu ein frischer Wind. Wir laufen vom vorgesehenen nörd-lichen Grenzweg den Wiesenweg hinunter in Richtung Wolferborn. Meine Frau Helga begleitet mich. Wir kehren erst an der südlichen Grenze wieder um in Richtung Keckenstein und wählen dazu den Feldweg östlich des Steinbachs.
Was ist aufgefallen?
An keiner einzigen Stelle haben wir Gülleausbringung festgestellt. Das ist sehr gut.
Die Schwarzdornhecken sind teilweise braun (Nachfrost?), in anderen Lagen noch nicht ganz oder aber schon vollständig erblüht.
Die Wildbienen auf dem Feldweg sind noch aktiv, die kleinen Erdhügel allerdings eingeebnet. Es ist dort auch eine Traktorspur zu sehen.
In den zugewachsenen Gehölzbereichen direkt am Steinbach mit Versteckmöglichkeiten für Wildtiere sprangen in zeitlichem Abstand Rehe auf, drei Einzeltiere.
Am Wasser quakte schon ein Frosch.
Mehrfach waren Spechte zu hören.
Ein Silberreiher flog über das Gebiet, ein Mäusebussard, zwei Raben. Eine Goldammer bewegte sich in einer Hecke.
An der tiefsten Stelle des Tales, lediglich zwei Schritte entfernt von der noch einzig mit Wasser gefüllten Vertiefung in den Wiesen, hat jemand erneut Feldsteine abgelagert.
Hier sind bereits zwei jeweils ca. 25 m lange Steinhaufen aufgeschüttet, die langsam überwachsen werden. Zusätzlich ist im rechten Winkel dazu ein dritter Steinriegel von insgesamt 35 Meter Länge aufgeschüttet, der jetzt noch einmal mit den erwähnten neuen Steinen verlängert wurde.
Dem „Schutzwürdigkeitsgutachten ‚Steinbachtal bei Wolferborn“ des Büros Naturplanung, Wölfersheim, vom Dezember 2018 entnehme ich, dass dies eine Kompensations- und Ökokontofläche „Trockenmauer Neuanlage“ ist (Öko-UNB-12172). Und weiter: „Die Maßnahme ist anerkannt, jedoch noch in Planung. Zuständige Behörde: UNB Wetteraukreis.
Den beigefügten Fotos ist zu entnehmen, dass dies eine totale Fehleinschätzung der Situation ist und hier schnellstens Einhalt geboten bzw. sogar eine Beseitigung angeordnet werden muss, sonst brauchen wir über wertvolle Feuchtflächen in diesem Bereich nicht mehr zu reden.
Diese Maßnahme diente ganz augenscheinlich von allem Anfang dazu, die nassen Teile der Wiese zu verfüllen.
Weiter oben in der Hecke gibt es einen Brandplatz, von dem ich bereits ein Foto versandt hatte. Dort ist erneut Bodenaushub abgelagert worden.
Wir haben bei unserer Begehung besonderen Wert darauf gelegt, mögliche Plätze von abgelegten Kitzen in den Wiesen zu entdecken. Die gibt es aber noch nicht, das Gras ist noch zu niedrig.
Der aktuelle Grund dafür ist: In der Jagdgenossenschaftsversammlung in Bindsachsen am 05.04.2019 berichtete ein Landwirt, er habe im letzten Jahr 1 Kitz totgemäht, der „XY“ habe an einem einzigen Tag allerdings acht (!) Kitze totgemäht.
Nach meiner Einschätzung lassen sich solche Katastrophen nur vermeiden, wenn das Gebiet so schnell wie möglich unter Schutz gestellt und der Mähzeitpunkt so festgelegt wird, dass die Kitze bereits die Wiesen verlassen haben.
Auch die illegalen Ablagerungen in den Hecken werden dann erst ein Ende haben, wenn die Fläche einen entsprechenden Schutzstatus hat.
Rechts neben den frisch aufgeschichteten Feldsteinen steht noch Wasser in den Mulden – und zwar nur noch hier; links in der Feuchtfläche ist die geschützte Sumpfdotterblume zu erkennen.
Diese beiden Bilder verdeutlichen das Ausmaß der „Trockenmauer“: hinter dem Solitärbaum in der Mitte und zwischen den blühenden Bäumen links und dem Solitärbaum rechts , direkt am Bachlauf und an der tiefsten Stelle des gesamten Steinbachtals.
An diesem Brandplatz in der Hecke ist erneut frischer Abraum abgelagert worden (= rechts unter dem darauf gerollten verkohlten Holzstück). Links hinter dem angekohlten Baum liegt eine Ladung Fliesen.
Exkursion in das Steinbachtal am Pfingstmontag, 10. Juni 2019
Heute muss ich unbedingt wieder einmal in das Steinbachtal.
Schon auf meiner Fahrt dorthin schrillen bei mir alle Alarmglocken, kaum, dass ich im Gebiet angekommen bin. Auf dem Zufahrtsweg aus Richtung Michelau sitzen nämlich ein Mann und eine Frau gemütlich in bequemen Stühlen am Wegrand und schauen in das Steinbachtal. Vor dem Mann liegt ein Flugmodell, Spannweite etwa zwei Meter oder knapp mehr. Ich fahre langsam an den beiden vorbei. Der Mann dreht sich nicht nach mir um. Vielleicht weiß er, dass er hier mit seinem „Sport“ nicht erwünscht ist.
Im Steinbachtal will ich überprüfen, ob ich noch die eine oder andere Orchidee finde. Das ist leider nicht der Fall. Überhaupt ist heute dort „tote Hose“. Am Himmel gibt es in der Ferne bereits bedrohliche Gewitterwolken, die Stimmung ist irgendwie seltsam angespannt.
Der größte Teil der Wiesen im Kernbereich des Steinbachtals ist noch nicht gemäht, das Gras steht hüfthoch. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen dafür, dass beim und nach dem Mähen wieder Samen ausfallen können, aber es sind im gesamten Wiesengrund leider kaum bunte Blumen zu sehen.
Die wenigen bereits vor Wochen zur Silage gemähten oder abgeweideten Wiesen haben inzwischen wieder deutlichen Bewuchs. Auch einige wenige Blütenstände von Kuckuckslichtnelke, Hahnenfuß und vor allem Spitzwegerich sind hier zu sehen und auch mehrere Bläulinge fliegen die Blüten an.
Nachdem ich mir bei meiner Ankunft im Steinbachtal zuerst einen Überblick über das Gebiet von der üblichen Stelle am nördlichen Begrenzungsweg verschafft hatte, steige ich später unten im Tal auf einen Hochsitz. Das Grasmeer, das sich unter mir ausbreitet, ist eindrucksvoll.
Ganz sicher bietet das hohe Gras für die Kitze, die jetzt eigentlich da sein sollten, gute Versteckplätze. Ich sehe aber nur ein Reh außerhalb des Gebiets, das – weit genug von mir entfernt – in aller Ruhe äst und sich nicht stören lässt.
Die Vogelwelt ist heute leider überhaupt nicht aktiv. Im Bereich des geplanten Natur-schutzgebiets sehe ich lediglich ein Neuntöter-Männchen, das sich fotogen auf einen Zaunpfahl setzt, nebenan auf einem Feldweg eine prächtig gelb gefärbte Goldammer und am Himmel einen Schwarzmilan. So dürftig an Beobachtungsmöglichkeiten war es hier seither nur selten.
Es gibt allerdings trotzdem noch einen Grund, sich zu freuen. Die Wegeränder am Feldweg in Richtung Aussiedlerhof R. sind nämlich noch nicht gemäht. Hier ist bunte Blumenvielfalt zu bestaunen: Glockenblumen, Schafgarbe, Witwenblumen, Margeriten und etliche weitere Arten, an denen sogar Schmetterlinge hin- und herfliegen. Wenige Zentimeter nebenan fängt dann die „normale“ Wiese an. Hier ist leider – wie inzwischen überall – nur ein langweiliges, ödes und artenarmes Grasmeer angesagt.
Diese Situation bietet aber auch für die zukünftige Bewirtschaftung eine große Chance, denn solange eine Mahd der Wiesen erst Mitte oder Ende Juni erfolgt, ist die Gefahr der Silagewirtschaft, die auf Dauer den Samenvorrat versiegen lässt, recht gering. Wird das Heu nicht selbst benötigt, könnte man gezielt versuchen, die Erträge insgesamt systematisch zu vermarkten, zum Beispiel durch eine „Heubörse“.
Die späte Mahd im Steinbachtal hat Tradition, wie mir Reinhold B. aus Wolferborn bestätigt. In nassen Jahren konnte immer schon nur spät gemäht werden, in besonders nassen Sommern musste das Heu sogar teilweise liegen bleiben, weil der Boden kein Befahren zuließ.
Das ist heute wohl nicht mehr so, jedenfalls nicht mehr auf größeren Flächen.
Ich treffe mich mit M. St. pünktlich um 10.00 Uhr, wie Tage vorher schon verabredet.
Mit meinem Auto fahren wir über den sog. Kreuzweg an der Landstraße von Bindsachsen nach Kefenrod in den Gemarkungsteil hinter dem Keckenstein ein. Von hier aus kann ich ihm am besten einen ersten Überblick über das Gelände ermöglichen.
Das Steinbachtal präsentiert sich wie immer wie ein kostbares Juwel. Hier ist in Miniaturausgabe ein Abbild der gesamten südwestlichen Vogelsberglandschaft zu sehen. Tal- und Hangwiesen, Solitärbäume und Hecken, kleinparzellige Äcker- und Wiesenstücke in allen denkbaren Bearbeitungsstadien.
Umso schmerzlicher wird mir bewusst, wie schlimm die in meinen Augen gravierende Fehlentscheidung war, das beantragte Unterschutzstellungsverfahren nicht weiterzuführen. Das ist nicht nur ein bitterer Rückschlag für die gesamte Region, sondern vor allem auch für den ehrenamtlichen Naturschutz. Die jahrelangen Aktivitäten der acht anerkannten Naturschutzverbände wurden komplett missachtet.
Nicht zuletzt trifft diese Entscheidung mich selbst, der ich seit mehr als 4 Jahrzehnten einen Großteil meiner Lebenszeit für die ehrenamtliche Tätigkeit Naturschutz geopfert habe, wie eine schmerzhafte Ohrfeige. Was helfen da alle seitherigen Auszeichnungen (Umweltschutzpreis des Wetteraukreises, Bundesverdienstkreuz und diverse andere), wenn dann eine in meinen Augen fachlich falsche Abwägung ein für die Region bedeutendes Projekt beendet?
Als langjähriger Seminarleiter in der Hessischen Lehrerfortbildung habe ich zig Staatsexamensarbeiten begutachtet und benotet. Ich nehme daher für mich sehr wohl in Anspruch, dass ich beurteilen kann, ob eine Entscheidung fachlich gerechtfertigt ist oder nicht.
Zurück zur Landschaft: Wir beide fotografieren, was das Zeug hält. Die Motive nehmen kein Ende. Die wunderschöne Landschaft aus allen Blickwinkeln festzuhalten, macht richtig Spaß. Die allein wäre nach dem Bundesnaturschutzgesetz schon ein gravierender Unterschutzstellungsgrund.
Die Wiesen sind gerade jetzt – wenige Tage vor der Heumahd – noch voll mit bunten Blumen: Johanniskraut, Witwen- und Glockenblume, Habichtskräuter und Malven, Heilziest und Heidenelke, Klappertopf und Margeriten und so manche andere Rarität. M. bestätigt mir, dass es solche bunten Wiesen in weitem Umkreis überhaupt nicht mehr gibt.
Leider finden wir auf unserem Fußweg zurück zum Auto noch ein totgemähtes Kitz.
Unter Missachtung der Regel „Der Fotograf hat frei von zwölf bis zwei“ heben wir noch so manches Mal die Kameras und drücken auf den Auslöser. Die letzten Aufnahmen entstehen um ca. 14.30 Uhr: Klatschmohn und Kornblumen an den Rändern eines Getreideackers. Gegenüber überziehen die Blüten der Kornblumen den gesamten Acker wie einen zarten blauen Flaum.
Leider sehe ich im Sinn schon die Güllefässer, die über den Äckern und Wiesen des Steinbachtals entleert werden. Dann bleiben uns wohl nur unsere Bilder – und eine ferne Erinnerung. Schade. Alfred Leiß
Liebe Mitstreiter und Mitstreiterinnen in Sachen NSG Steinbachtal, ich informiere euch heute über eine Mitteilung des RP Darmstadt, die richtig weh tut:
Mit Datum 11. Juni 2019 wurde mir mitgeteilt, dass „auf der Grundlage der vorliegenden naturschutzfachlichen Erhebungen und des erstellten Schutzwürdigkeitsgutachtens ... von einer Ausweisung des Steinbachtals bei Wolferborn als Naturschutzgebiet“ abgesehen wird.
Das haben wir so hinzunehmen.
Trotzdem bleiben bei mir noch eine Menge Fragen offen:
· Warum hat man die einmalige Chance, ein weit abgelegenes Gebiet mit einem guten Grundpotential in Sachen Biodiversität nicht jetzt genutzt, um es zielgerichtet zu einem Hotspot der Artenvielfalt zu entwickeln? Es hätte die im Moment aktuellen Blühstreifen (mit vermutlich in dieser Begeisterung nicht sehr langlebigen Aktivitäten) in seiner Effektivität bei weitem (und ganz sicher langfristig) übertroffen. Auch die weitere Anlage von Wasserflächen als Nahrungsbiotop z.B. für die benachbarten Weiß- und Schwarzstörche (und viele weitere Vogelarten) wären leicht zu realisieren gewesen.
Ich denke, dass eine solch gute Gelegenheit nicht so schnell wiederkommt.
· Warum hat man allein botanische und ornithologische Erhebungen zur Grundlage dieser abschlägigen Entscheidung gemacht und nicht auch z.B. Heuschrecken, Schmetterlinge, Schnecken, Libellen, Wildbienenarten, Pilze und Flechten usw. usw. erfasst?
· Die Akzeptanz bei Landwirten und Grundstückseigentümern (Privatleute, die Natur- und Vogelschutzgruppe Wolferborn, die Gemeinde Kefenrod und die Stadt Büdingen), bei der in der Gemarkung aktiven Jägerschaft und den übrigen Naturschutzverbänden sowieso, war in großem Umfang und in selten konfliktfreier Qualität vorhanden. Es gab Zustimmung (und Aufforderungen!) von allen Seiten.
· Die in diesem Schreiben zitierten 8,7 ha Grünland mit HALM-Maßnahmen zur Grünlandextensivierung und eine weitere in Planung stehende Fläche von 1,6 ha als Ökokontomaßnahme zur Grünlandextensivierung sind leider lediglich ein nur wenig wirksamer Teil des gesamten Gebiets von etwa 118 ha.
· Bislang ungeklärt ist auch eine eventuelle Mitwirkung des Wetteraukreises. Zuletzt in einem Gespräch mit dem zuständigen Naturschutzdezernenten am 02. Mai 2019 hatte ich um Unterstützung für unser Vorhaben „Ausweisung eines NSG im Steinbachtal bei Wolferborn“ gebeten.
Unabhängig von dieser großen Enttäuschung bedanke ich mich bei allen Mitwirkenden, die seit März 2016 z.T. viele Stunden ihrer Freizeit geopfert haben, um in unserer unmittelbaren Umgebung mit dafür zu sorgen, dass die einst hier vorhandene Artenvielfalt nicht in immer schnellerem Tempo und in immer größerem Umfang verschwindet. Sie wollten eigentlich nichts anderes, als ihren Enkeln auch in Zukunft noch einmal Wiesenblumen, Schmetterlinge und Libellen zeigen zu können.
Besonders bedanke ich mich auch bei Herrn M. vom Regierungspräsidium Darmstadt, der wohl lediglich der Überbringer der Hiobsbotschaft war.
Die Zusammenarbeit mit ihm war sehr angenehm und von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Dafür vielen Dank!
Die Mitteilung des RP vom 11. Juni 2019, dass „auf Grundlage der vorliegenden natur-schutzfachlichen Erhebungen und des erstellten Schutzwürdigkeitsgutachtens ... von einer Ausweisung des Steinbachtals bei Wolferborn als Naturschutzgebiet“ abgesehen werde, schlug bei den Naturschützern im Wetteraukreis ein wie eine Bombe.
Viele sehen darin eine geradezu beleidigende Geringschätzung ihrer meist jahre- oder so-gar jahrzehntelangen ehrenamtlichen Tätigkeit und überlegen, ob sie sich in Zukunft noch weiter engagieren sollen. Auch ich selbst habe mich noch nicht endgültig für ein Weitermachen entschieden, weil ich die Entscheidung des RP für völlig falsch halte.
Und so begebe ich mit meiner heutigen „Exkursion“ überhaupt nicht tatsächlich in das Gebiet, sondern schildere, wie sich schleichend die Voraussetzungen und Bedingungen für die Tier- und Pflanzenwelt in diesem wunderbaren Lebensraum verändert haben. Und warum sollte das in Zukunft anders sein?
Ich beginne mit der Verlegung von Betonrohren im Zuge der Flurbereinigung, die in unserer Gemeinde Bindsachsen seit 1965 stattfand. Der offene Graben, der sich aus nordöstlicher Richtung in das Steinbachtal hineinzog, sollte zur Schaffung einer einheitlichen Wiesenfläche und deren besseren Bearbeitung verrohrt werden. Mein Zwillingsbruder Wilfried und ich – damals beide 19 Jahre alt – hatten uns beim Ortslandwirt (damals Heinrich Schrimpf) für leichtere Arbeiten angemeldet, um uns ein paar D-Mark zu verdienen.
Ausgerechnet uns beiden wurde dann die Aufgabe übertragen, diese Betonrohre zu verlegen. Wir planierten zunächst die Grabensohle und ließen dann Rohr für Rohr mit Hilfe von zwei Seilen nach unten, wie bei einer Bestattung, wenn der Sarg in die Grube niedergelassen wird. Dieser Vergleich mag makaber klingen, aber im Nachhinein hatte er genau diese Auswirkung: die weit über 300 Orchideen (Breitblättriges Knabenkraut), die wir noch Anfang der 1980er Jahre zusammen mit dem damaligen Ersten Kreisbeigeordneten Dr. Walter Sper auf dieser Feuchtwiese bewundern konnten, sind dann im Laufe der nächsten Jahre durch die inzwischen erfolgte großflächige Austrocknung des gesamten Geländes restlos verschwunden.
Dort, wo der mit feuchtigkeitsliebenden Pflanzen bestandene Wiesengraben mit reichem Insekten- und Schmetterlingsvorkommen einst mündete, gab es ein lichtes Erlenwäldchen, aus dem im Frühjahr schon von weitem die strahlend gelben Blüten von hunderten Sumpfdotterblumen leuchteten. Genau dort wurde dann ein Teich angelegt. Das Aushubmaterial wurde rundum großzügig verteilt. Die Sumpfdotterblumen haben sich über die Überflutung und Übererdung nie beschwert – auch niemand sonst.
Aktuell habe ich dort kürzlich erneut auf mehreren Quadratmetern dicke Ablagerungen von vermutlich Überresten vergärter Futterreste für Pferde oder Kühe festgestellt. An dieser Stelle werden für viele Jahre ganz sicher keine Wildpflanzen mehr wachsen, durch den Stickstoffeintrag dann höchstens Brennnesseln.
Bleiben wir beim Wasser. In einer damals noch bunten Blumenwiese hörte ich an einem heißen Sommertag unterirdisch Wasser rauschen. Ich fand auch sehr schnell die Ursache; ein Loch im Erdboden verführte mich, mit hochgekrempeltem Hemdsärmel hinein zu fassen. Fast hätte ich vor Schreck einen Herzschlag bekommen: das Wasser in dieser alten aus Feldsteinen errichteten Drainage war eiskalt.
Ich vermute, dass diese Wasserader heute nicht mehr läuft. Als der Orkan Wiebke vor einem Vierteljahrhundert oberhalb dieser Stelle tausende von Fichten auf dem Keckenstein zu Boden warf, änderte sich der Wasserhaushalt schlagartig – zum Schlechteren. Die wenigen Fichten, die die Katastrophe überlebten, frisst heute der Borkenkäfer.
Noch ein drittes Beispiel: Im feuchtesten Bereich der Talaue hat ein Landwirt im Rahmen einer Ökoausgleichsmaßnahme 3 Steinriegel von zwei Mal 25 Meter Länge und ein Mal 35 Meter Länge mannshoch aufgeschichtet. Sie sind strategisch optimal für eine spätere Auseinanderplanierung positioniert. Eine naturschutzrechtliche Genehmigung wurde ausgerechnet durch die Untere Naturschutzbehörde des Wetteraukreises erteilt.
Sollten diese Steine jemals wieder entfernt werden, wird man – nach meiner festen Überzeugung – vermutlich auch den historischen Grenzstein von 1855 finden, der in der Mitte der Talsenke seit der Mitte des 19. Jahrhunderts deutlich sichtbar die Gemarkungsgrenze zwischen Wolferborn (Stadt Büdingen) und Bindsachsen (Gemeinde Kefenrod) markierte. Offensichtlich stand er der großflächigen Bearbeitung durch die immer gigantischeren Landmaschinen im Weg. Was bedeutet da schon historisches Verständnis und Rücksichtnahme auf unersetzliche kulturhistorische Werte?
Eine andere Gegebenheit mit kulturhistorischer Bedeutung ist im Nordosten des Areals die ehemalige Hausmülldeponie, auf der vom Telefonbuch bis zu kaputten Ziegeln der Dacherneuerung, Altbatterien und Ölkanister, Mopeds und Autowracks, verfaulte Kartoffeln und Hühnerkadaver entsorgt wurden. Nach der offiziellen Schließung wurde die Deponie mit Erdaushub überdeckt und von der Natur- und Vogelschutzgruppe Bindsachsen bepflanzt. Der Wohlstandsmüll wurde aber nicht wirklich beseitigt, sondern nur versteckt, so, wie es überall im Land geschehen ist.
Kommen wir zu erfreulicheren Erlebnissen, zum Beispiel zu seltenen Pflanzen, die es im Gebiet des Steinbachtals gab und – Gott sei Dank – immer noch gibt. Durch Zufall fand ich
Anfang der 1980er Jahre in den ausgedehnten Heckengebieten das Ähren-Christophskraut (Actaea spicata). Ich habe danach nie mehr an diesem Standort nachgesehen, aber ich weiß heute nach inzwischen vier Jahrzehnten noch ganz genau, wo ich suchen müsste.
Oder mein sehr angenehmes Erlebnis mit einem einsamen Wanderer, den ich ansprach und dem ich in einem versteckten Heckenwinkel einen Standort der Wiesenschlüsselblume ((Primula officinalis) zeigte. Bernd S. trat wenig später mit seiner gesamten Familie dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) bei. Wir sind heute noch gut miteinander befreundet.
Wenn ich im Frühjahr sehe, wie sich das Steinbachtal mit seinen blühenden Schwarzdornhecken wie ein riesiger Blütenstrauß präsentiert, fällt mir der Landwirt, Schäfer und Imker Hermann Nagelschmidt ein, der ein besonders inniges Verhältnis zur Natur hatte. Er trieb nicht nur Rinder und Schafe auf die Weiden im Steinbachtal, er hielt dort auch mehrere Bienenvölker, die das ganze Jahr über wertvollen Honig sammelten. Die inzwischen zusammengefallenen Reste eines ehemaligen Bienenhauses sind heute noch in einer der Hecken zu finden.
In den 1980ern und den Folgejahren endete immer schneller der Rückschnitt der Flurgehölze und Feldhecken per Hand. Von Jahr zu Jahr mehr wurden Maschinen eingesetzt, die regelrecht zertrümmerte und verwüstete Gehölze hinterließen. In zahlreichen Leserbriefen und Protestschreiben wehrte ich mich gegen einen solch barbarischen Umgang mit den wertvollen Biotopen. Ich konnte immerhin erreichen, dass z.B. der Feldwegeverband Maschinen anschaffte, mit denen man diese Arbeit etwas pfleglicher durchführen konnte.
Um zu zeigen, wie nach unseren Vorstellungen ein naturverträglicher Heckenrückschnitt aussehen könnte, nahmen meine Freunde aus der Natur- und Vogelschutzgruppe Bindsachsen und ich uns ein Heckengebiet im Steinbachtal vor, das wir unter Berücksichtigung von schnell- und langsam wachsenden Gehölzen als „Vorbild“ verjüngten.
Es fallen mir auch historische Ereignisse ein: Der 2. Februar 1817, an dem junge Bur-schen aus Wolferborn den 28jährigen Schmied Christian Schwab aus Bindsachsen im Steinbachtal so brutal schlugen, dass er an seinen Verletzungen starb. Sie wollten vermutlich verhindern, dass er ein Mädchen aus ihrem Dorf heiratete.
Oder an ein Hochwasserereignis am 20. Juli 1875, als ein Wolkenbruch im Steinbachtal niederging und die nach Wolferborn am Ende des Tals einströmenden Wassermassen dort zu schweren Verwüstungen führten.
Oder an die Studenten, die nach dem 2. Weltkrieg mit selbst gebauten Segelflugzeugen von den Hängen im Steinbachtal sonntags Flugversuche durchführten.
Negative Eingriffe in den Naturhaushalt im Steinbachtal gab es wohl schon immer.
Als in den 1980er Jahren auf mein Betreiben hin durch die Untere Naturschutzbehörde des Wetteraukreises und den Naturschutzfonds Wetterau im Talgrund ein Amphibienteich gebaut wurde, stellten wir fest, dass tiefere Stellen im Bereich des Steinbachs immer schneller und massiver illegal mit Erdaushub aufgefüllt wurden, der z.B. beim Bau von Garagen oder Gartenmauern anfiel. Nur mit größter Anstrengung gelang es damals der Unteren Naturschutzbehörde, diese üble Praxis zu beenden.
Leider sind die illegalen Ablagerungen inzwischen wieder an der Tagesordnung. Sie sind nicht zu übersehen: eine dicke Rolle aus verzinktem Stahldraht von der Einzäunung einer oder mehrerer Viehweiden, Backsteine, Kalksandsteine und Kehrichthaufen, Grasschnitt aus dem heimischen Garten, Ballen mit gepresstem, wohl modrig gewordenem Heu oder Stroh, Stangen und Bretter usw. „zieren“ inzwischen die Heckensäume. An einer Stelle wurden Holz und Paletten in die Hecke hineingeschoben und dort teilweise verbrannt. Die Überreste und die verkohlen Bäume sind nicht zu übersehen.
Der aufgelassene Steinbruch dient ebenfalls wohl immer öfter dazu, dass dort Reisig, Holzreste, Erd- und Bauschutt und alles Mögliche andere entsorgt werden. Es ist ja aus den Augen und aus dem Sinn, sobald es über die Kante nach unten gefallen ist.
So viel wollte ich doch noch zu den optimistischen Aussagen bzw. Erwartungen in der offiziellen Begründung für die Ablehnung einer Unterschutzstellung des Steinbachtals als Naturschutzgebiet ausführen.
Und wenn dort angeführt wird, dass im Gebiet bereits 8,7 ha des Grünlandes mit HALM-Maßnahmen zur Grünlandextensivierung belegt sind und eine weitere Fläche von 1,6 ha als Ökokontomaßnahme zur Grünlandextensivierung in Planung sei, so heißt das im Umkehrschluss, dass die restlichen Flächen der insgesamt projektierten 118 Hektar schutzlos sind und bleiben.
Die Veränderungen im Steinbachtal werden weitergehen, in welcher Form auch immer. Während man im nahen Vogelsberg Mähwiesenprojekte auszeichnet und fördert, sogar mit einem Bergmähwiesenfest krönt, können sich die Verantwortlichen im Steinbachtal nicht dazu entschließen, auf dem zweifellos vorhandenen Potential aufzubauen und es weiter zu entwickeln.
Dabei waren große Veränderungen überhaupt nicht vorgesehen, alles sollte im Prinzip so bleiben wie es derzeit ist, um diese Perle von Landschaft in ihrer derzeitigen Nutzung und Schönheit zu erhalten. Und ganz wichtig: viele, mit denen ich im Vorfeld gesprochen habe, waren mit einer solchen Lösung einverstanden.
So aber ist alles anders gekommen. Raps- und Maisäcker auf umgebrochenen Wiesen wie im östlichen Bereich auf der Kuppe längst geschehen, könnten weiter um sich greifen, Spritzmitteleintrag und Düngung werden nicht reglementiert.
Die ernüchternde Desillusionierung von uns Naturschützern ist gelungen: wenn man das haben wollte, dann hat man es sehr erfolgreich hinbekommen.
Warum schreibe ich das auf?
Mein Engagement ist ehrenamtlich, ein zweiter Beruf, der absehbar ein Ende hat. Nach mir wird es vermutlich nur noch um die Einforderung von Eigeninteressen gehen.
Tiere und Pflanzen melden sich nicht zu Wort, sie leiden still und sie sterben still.
Die Zukunft des Steinbachtals, einer jetzt noch wunderbaren Landschaft, bleibt ungewiss.
NSG Steinbachtal: „Wir wollen, dass es ein Projekt von vielen wird.“
„Vier Säulen verleihen dem Naturschutz in der EU seine Stabilität:
· Die erste Säule ist die 1979 in Kraft getretene Vogelschutzrichtlinie, die wildlebende Vögel, ihre Eier, Nester und Liebensräume schützt.
· Als zweite Säule kam 1992 die Fauna-Flora-Habitat-FFH)-Richtlinie zum grenzübergreifenden Schutz gefährdeter wildlebender Tier- und Pflanzenarten sowie deren natürlicher Lebensräume hinzu.
· Praktisch umgesetzt ist das in der dritten Säule, einem europaweiten Netzwerk zu-sammenhängender Schutzgebiete, Natur 2000 genannt, das die Vogelschutz-gebiete mit einschließt und heute weltweit als wegweisend gilt.
· Zur Finanzierung wurde 1992 zudem das Life-Programm als vierte Säule etabliert, ein Geldtopf, aus dem EU-weit Natur- und Umweltschutzprojekte gefördert werden.
In Deutschland gehören gut 15 Prozent der Landesfläche und knapp die Hälfte der küstennahen Meereszonen zu Natura 20000.“
(Naturschutz heute, Frühjahr 2019, S. 38)
„Hauptkritikpunkt der EU-Kommission ist der unzureichende Schutz der nach der FFH-Richtlinie gesicherten europäischen Naturschutzgebiete. Diese 585 Ländereien nehmen in Hessen immerhin 9,9 Prozent der Landesfläche ein. Damit sind sie ein wichtiges Naturschutz-Instrument zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Kritisiert wird von der EU das Fehlen gebietsspezifischer Erhaltungsziele.“
(NABU Hessen-Pressemitteilung Nr. 22/19, 20. Mai 2019
„2014 hatte die Malser Bevölkerung in einer Volksabstimmung mit einer Mehrheit von 76 Prozent dafür gestimmt, chemisch-synthetische Pestizide auf dem gesamten Gemeindegebiet zu verbieten. „Die Region Trentino /Südtirol ist im Vergleich zu anderen Regionen Italiens leider mit großem Abstand an erster Stelle, was den Einsatz von Pestiziden pro Hektar betrifft. Das muss sich dringend ändern, und dafür setzen wir uns seit Jahren ein“, sagt Mals Bürgermeister Ulrich Veith und verweist auf zahlreiche Studien zur gesundheitsgefährdenden Wirkung von Pestiziden.
Rund 40 Landwirte aus Mals befürchten hingegen, dass das Spritzmittelverbot ihre Ernte gefährdet. 2018 beantragten sie deshalb dessen Aussetzung. Das Verwaltungsgericht Bozen stimmte ihnen vorerst zu und verhandelte am 9. Januar 2019 erneut über das Pestizid-Verbot. Das Urteil steht noch aus.
Auch in Mals hatte das Umweltinstitut übrigens einen Messpunkt in einem gut geschützten Garten mitten im Ort. Hier konnte es zwölf verschiedene Wirkstoffe nachweisen, darunter gesundheitsgefährdende Stoffe wie Captan oder Thiacloprid.“
Kristina Simons in „Lufthoheit für Biobauern“, Naturschutz heute, Frühjahr 2019, S. 44
Bereits in der Zeitschrift Naturschutz heute 3/14, Seite 4, stellt Dr. Gottfried Briemle, 88326 Aulendorf, in einem Leserbrief fest:
„Den niederschmetternden Bericht über die trost- und hoffnungslose Situation unseres bundesdeutschen Grünlandes hinsichtlich der floristischen Artenvielfalt habe ich gelesen und stimme Ihnen zu. Auch ich – Jahrgang 1948 – kann Ihr Fazit bestätigen: „In nur 50 Jahren nahmen Wiesenblumen und Ackerkräuter um 95 bis 99 Prozent ab.“
Zwar war ich 25 Jahre lang als Grünlandbotaniker und –ökologe in einer dem Landwirtschaftsministerium Baden-Württembergs zugeordneten Lehr- und Versuchsanstalt forschend und beratend tätig. Doch auch ich konnte im Südwesten dieses Artenschwunddesaster nicht ansatzweise abmildern, geschweige denn abwenden.
Die Ursache dafür liegt in der banalen Feststellung: In diesen 50 Jahren haben sich die landwirtschaftlichen Betriebe von einer Festmist- und Heuwirtschaft zu einer Flüssigmist- und Silagewirtschaft entwickelt. Allein in diesen Satz lässt sich die gesamte Problematik fassen!
Da Fortschritt und Weiterentwicklung auf unserem Planeten nicht zu stoppen sind, werden auch wir uns diesem Gesetz beugen müssen.“
Was sich seit dem Leserbrief des Herrn Briemle außerdem noch fatal entwickelt hat, ist die Methode, bereits sehr früh im Jahr alle bewachsenen Streifen rund um die Felder radikal zu mulchen. Dort kommt weder eine einzige Pflanze noch ein einziges Insekt mit dem Leben davon. Und genau dort wuchsen immer die blühenden Wildblumen, die nicht nur den Schmetterlingsraupen und zahlreichem anderem Getier wertvoller Lebensraum waren, sondern in Feld und Flur viel bewunderte dekorative Farbtupfer waren.
Die Landwirte nennen diese systematische Ausrottung von Arten „Feldhygiene“ – eine Bezeichnung, die an Zynismus kaum zu überbieten ist.